Stellungnahme des Arbeitskreis Rüstungsdynamiken und Abrüstung zu den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine:

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist eine schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts. Während die schrecklichen Folgen für die Menschen in der Ukraine offenbar sind, bleiben die Implikationen für die europäische und globale Sicherheit bisher nur in Umrissen absehbar. Als Friedensforscher:innen, die auch Grundlagen für eine strikt am Frieden orientierte politische Praxis schaffen wollen, fordern wir ein sofortiges Ende der russischen Aggression gegen die Ukraine, die Vereinbarung von Waffenstillständen und die Schaffung von Fluchtkorridoren, um das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung zu lindern.

Klar ist, dass Russlands Angriff auf die Ukraine zu einer Neuorientierung der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik führen wird. Als Mitglieder des Arbeitskreis Rüstungsdynamiken und Abrüstung in der AFK sind wir in tiefer Sorge, dass der russische Angriff zu einem neuen Wettrüsten, zu fehlgeleiteten Verteidigungsausgaben und zu einer erneuten Teilung Europas führt.

Um die Voraussetzungen für eine Friedenspolitik in Europa zu verbessern, fordern wir:

  1. Eine Politik der nuklearen Deeskalation und Zurückhaltung. Russland hat in bisher nicht dagewesener Weise nukleare Drohungen ausgesprochen, um die NATO von einer politischen und militärischen Unterstützung der Ukraine abzuhalten. Die NATO ist auf diese verantwortungslose Form der Abschreckung nicht eingegangen. Wir unterstützen die Politik der nuklearen Zurückhaltung und hoffen, dass sie  den Weg ebnet für eine vorbehaltlose Debatte über Relevanz und Verantwortbarkeit nuklearer Abschreckung für die europäische Sicherheit. Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden.
  2. Eine Debatte um die Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik. Der Krieg gegen die Ukraine muss zu einer offenen Diskussion über deutsche Außen- und Sicherheitspolitik führen. Wir beobachten mit Sorge eine Verengung der sicherheitspolitischen Debatte auf militärische Sicherheit und sehen die pauschale und dauerhafte Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes und die Einrichtung eines Sondervermögens kritisch. Wir fordern eine offene Debatte über die sicherheitspolitische Lage, die Ausrichtung der Bundeswehr und einer ihr entsprechenden bedarfsorientierten Ausrüstung. Der Bundestag sollte der zentrale Ort einer solchen Diskussion sein.
  3. Die Aufrechterhaltung und den Ausbau zivilgesellschaftlicher Kontakte in Mittel- und Osteuropa. Wir sind besorgt über die umfassenden Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Kontakte in Forschung und Kultur nach Russland durch den Abbruch von Kooperations- und Forschungsprojekten auch durch die deutsche Seite. Wir müssen und wollen das Gespräch mit Freund:innen und Kolleg:innen in Russland weiter suchen, ohne dass dies das Regime Putin legitimiert oder stützt. Solche Kontakte dürften insbesondere nach Ende des Krieges wichtig werden. Es sollten daher in dieser Krise nicht voreilig zivilgesellschaftliche Brücken verbrannt werden, die wir später brauchen werden, wenn wir langfristig eine Politik des Ausgleichs und der Verständigung mit Russland anstreben.
  4. Die gesetzliche Verankerung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik. Angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine halten wir die Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine für legitim. Sie garantieren, dass die Ukraine ihr in der UN-Charta verbürgtes Recht auf Selbstverteidigung ausüben kann. Solche Waffenlieferungen sind allerdings ein Sonderfall, der als Muster für deutsche Rüstungsexportpolitik nicht taugt. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, den Grundsatz einer empfängerkritisch restriktiven Exportpolitik in einem Rüstungsexportkontrollgesetz zu kodifizieren.

 

Unterzeichner:innen
Oliver Meier, Jannis Kappelmann, Tim Thies, Malte Göttsche, Sascha Hach, Max Mutschler, Jana Baldus, Marius Bales, Berenike Prem, Fiona Wilshusen, Michael Brzoska, Stefka Schmid, Markus Bayer, Jens Heinrich, Klaus Ebeling, Anna-Katharina Ferl, Mischa Hansel, Thomas Nielebock, Maren Vieluf, Carmen Wunderlich, Frank Walter, Franziska Stärk

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