Dass Emotionen in der Politik und in sozialen und politischen Konflikten eine zentrale Rolle spielen, ist bekannt, wird aber trotzdem zu wenig berücksichtigt. Ist ein gewisses Ausmaß an persönlich empfundener Empörung notwendiger Bestandteil jedweden politischen Engagements und jedweder politischen Veränderung? Wann schlägt produktive Empörung in destruktive Gewalt um? Welche Ängste treiben den „Wutbürger“ wirklich um? Wann wird Empörung zum Selbstzweck? Was macht den neuen Autoritarismus und Nationalismus für viele Menschen so attraktiv? Warum wählen Menschen sich Regierungen, die die Ohnmachtserfahrungen dieser selben Menschen noch potenzieren? Warum kann so viel Hass so schnell als Mittel der Politik mobilisiert werden? Warum scheint die Festgefahrenheit so vieler gewaltförmiger und kriegerischer Konflikte weniger mit der Abwesenheit von Transformationspotentialen und Lösungsvorschlägen, sondern vielmehr mit starrsinnig verteidigten Gefühlsqualitäten und damit unterfütterten Vorurteilsstrukturen zu tun zu haben?
Ein wichtiger Anknüpfungspunkt ist hier der Begriff des Ressentiments, und die Frage nach der Rolle von Ressentiments beim Zustandekommen bzw. Nicht-Zustandekommen von Anerkennungsverhältnissen. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Philosophie, diskutiert aber immer auch eine Reihe zentraler psychologischer Dimensionen. In den letzten Jahren spielt er in der Politikwissenschaft eine zunehmende Rolle, und findet Eingang in die unterschiedlichsten politischen Diskurse. Der Duden spricht von einer „auf Vorurteilen, einem Gefühl der Unterlegenheit, Neid o.Ä. beruhende[n] gefühlsmäßige[n], oft unbewusste[n] Abneigung“.
In aktuellen Diskussionen wird häufig angenommen, dass die TrägerInnen von Ressentiment relevante Erfahrungen von Machtmissbrauch und Verletzung erlitten haben, dass diese Erfahrungen in fortdauernde ohnmächtige Wut übersetzt worden sind, sowie dass für das Aushandeln bzw. Ausdrücken dieser Aggression Objekte gesucht und gefunden werden, die mit den ursprünglichen Problemen nichts mehr zu tun haben und zudem die Verknüpfung zum Ursprungsproblem weitgehend unbewusst wird. Demgegenüber gibt es aber auch positive Bedeutungen. Bei dem österreichischen Schriftsteller und Holocaust-Überlebenden Jean Amery z.B. beschreibt der Begriff die notwendige Empörung des Opfers gegen die Täter/innen, die auch die Selbstaufklärung der TäterInnen ermöglicht, und wird so zur „Emotionsquelle der Moral“. Ressentiment umfasst also einen Spannungsbogen, mit dem wir uns während der Sommerakademie auf Burg Schlaining gezielt auseinandersetzen wollen.
Die Sommerakademie 2019 möchte diesen Fragen in einer interdisziplinären Anstrengung nachgehen. Das Programm zur Sommerakademie 2019 finden Sie hier.