Am 26. Dezember verstarb Ulrich Albrecht, langjähriges aktives Mitglied der AFK. Ulrich Albrecht hat sich in vielen Jahren um die AFK enorm verdient gemacht. Von 1971 bis 1973 sowie von 1998 bis 2002 war er Vorstandsvorsitzender der AFK.
Eine Würdigung von Prof. Dr. Hajo Funke
Uli Albrecht war ein Kriegskind. 1942 starb sein Vater in den Kämpfen um Stalingrad – seine Mutter hatte ihn mit seinen beiden Brüdern durch die Kriegs- und Nachkriegswirren durchzubringen – an den verschiedensten Orten vom Erzgebirge bis nach Halle an der Saale. Seine Mutter war dann dort Lehrerin, ehe sie sich auch aufgrund der Zwänge in der DDR entschloss, die Kinder zu Bekannten nach Westdeutschland zu schicken und selbst nachzukommen. In Herchen an der Sieg zwischen Köln und Bonn wuchsen die drei mit ihrer Mutter auf und waren zugleich alsbald als kritische Geister an Schule und später an der Hochschule bekannt. Uli (Hans-Ulrich) entschied sich für Maschinenbau und Luftfahrttechnik – er liebte seine papiernen Modellflugzeuge – , wurde Dipl.-Ingenieur, studierte Volkswirtschaft und schrieb in Stuttgart eine Dissertation über den Handel mit Waffen. Die Kollegenschaft war sich nicht einig, ob sie angenommen werden darf. Aber der bekannte Historiker Eberhard Jäckel setzte sich in den entsprechenden Gremien durch. Sein Zwillingsbruder wurde Theologe, sein jüngerer Bruder Maschinenbauer und später bei einer der größten Automobilhersteller beschäftigt.
Sehr früh war Uli Albrecht ein kritischer Geist und wandte sich – sicher auch seiner frühen Erfahrungen wegen – alsbald der politologischen Konflikt- und Friedensforschung zu. Seine öffentliche und wissenschaftliche Karriere begann mit seiner frühen Professur, eben für Konflikt- und Friedensforschung, Anfang der 70er Jahre am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität. Sein präsenter öffentlicher Geist der Kritik an Rüstung und Militarismus konnte in einer Zeit einflussreich werden, in der mit dem Vietnam-Krieg sich erneut das Entsetzen über die schiere Unkontrollierbarkeit der Kriege ausgebreitet hatte. Er war an der Seite der Friedensbewegung, die vor dem Hintergrund der Verbrechen des Vietnamkriegs und der Gefahren der Wettrüstung im kalten Krieg in den achtziger Jahren ihre Höhepunkte hatte und zur Entspannung zwischen Ost und West – mit Willy Brandt, Egon Bahr sowie Gorbatschow (und Reagan) – und schließlich zur deutschen Vereinigung beitrug.
Uli Albrecht war in seiner offenen zugewandten Haltung einer der für Studierende und seine langjährige Mitarbeiterin Helga Wegener zugänglichsten Professoren des neuen Otto-Suhr-Instituts nach 1968. Er prägte Generationen von Studierenden. Es gab kaum jemanden – vielleicht ab und an der kritische Ökonom Elmar Altvater, der Verwaltungs- und Bewegungsforscher Peter Grottian oder sein langjähriger politischer und persönlicher Freund Wolf-Dieter Narr – der mehr Diplomarbeiten und Dissertationen zu betreuen hatte als Uli Albrecht. Er trat für eine demokratische, offene, nachdenkliche Universität ein und war als solcher Vizepräsident der FU.
Er war ebenso entschieden rüstungskritisch und friedenspolitisch orientiert wie er zugänglich, ja humorvoll und verschmitzt seine politischen Einsichten an Studierende und die jeweiligen Öffentlichkeiten trug. Und es gab kaum ein Gebiet, in das er, darauf hat Peter Grottian in der kurzfristig anberaumten kleinen Trauerfeier im Seniorenheim am 30. Dezember 2016 hingewiesen, sich nicht einzuarbeiten vermochte. Er war so etwas wie ein Universalgenie. Und seine Schwerpunkte entschied er nach seinen protestantisch humanen Motivationen: Seine Arbeiten zur Rüstungskontrolle und zur Friedenspolitik, auch sein Grundlagenwerk zur internationalen Politik oder seine Beiträge zur Migrations- und Flüchtlingsforschung. Er war ein begnadeter Anstifter zum Nachdenken über Frieden und radikale Demokratie weit über 30 Jahre lang in einer der Hochzeiten des Otto-Suhr-Instituts.
Von den Ostberliner Theologen und Friedensaktivisten Ruth und Hans Misselwitz war er schon in den achtziger Jahren zur Friedensbewegung eingeladen worden und hielt mit ihr Kontakt. Er war Berater des letzten DDR-Außenministers Markus Meckel in der Regierung der DDR nach dem Mauerfall.
Sein Leben war, auch gegen die realen Verhältnisse, dem Frieden in Europa – und der Welt, nicht zuletzt im Rahmen der Vereinten Nationen, gewidmet; dieses Motiv war dem Kriegskind in sein Gemüt eingebrannt – , wie Ruth Misselwitz in ihrer Predigt sagte. Er war Gutachter im Rahmen der Vereinten Nationen und nahm an für die Friedenspolitik zentralen internationalen Konferenzen wie den Pugwash-Konferenzen teil. Er war ein Mensch, der in seiner zurückgenommenen Bescheidenheit, die er ausstrahlte, der Bergpredigt zu folgen suchte, sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzte und darin unermüdlich blieb. Bis seine Schwersterkrankung ihn im letzten Jahrzehnt immer stärker einschränkte und von der ihn jetzt der Tod, wie Ruth Misselwitz sagte, buchstäblich erlöste. So klug, herzlich und optimistisch unser langjähriger Kollege war, so schwierig, auch persönlich tragisch war seine letzte lange Lebensphase.
Er wird in Hamburg an der Seite seines Zwillingsbruders beigesetzt.
An seine friedenspolitische und radikaldemokratische Erbschaft wie an seine Persönlichkeit als Lehrender und Forscher soll in einer Gedenkveranstaltung am 30. Januar am Otto-Suhr-Institut erinnert werden.
Die AFK trauert um ein engagiertes Mitglied und eine herausragende Persönlichkeit der Friedensforschung.